26.12.08

Die Fototechnik - Das welterste Open-Source-Projekt


Als am 19. August 1839 in der Pariser Akademie der Wissenschaften durch den französischen Astronomen, Physiker und Politiker Dominique François Jean Arago bekannt gegeben wurde, dass Frankreich das Patent für die Daguerreotypie der Welt schenkt, darf dieser Tag als Open-Source-Eröffnung gefeiert werden.

Geschenk an die Welt. Die neue Technologie der Fotografie zeitigte bereits am 15.Februar 1839 im postrevolutionären Frankreich auch parlamentarisches Interesse. Es wurde in revolutionärem Geist gefordert, die Erfindung der Fotografie durch den Staat ankaufen zu lassen und das Verfahren der Öffentlichkeit zu übergeben. Jedenfalls geriet die Erfindung der Fotografie zu Zeiten Daguerres plötzlich auch zu einem nationalen Wettlauf. Die deutsche Vossische Zeitung bezeichnete im nationalen Eifer schon am 28.August 1839 die Fotografie als "französische Windbeutelei". Kein Wunder, war es doch auch die Zeit des Erwachens nationaler Bestrebungen.

Der "Feiertag": 19.August 1839. Jedenfalls präsentierte die französische Akademie der Wissenschaften am 19.August 1839 offiziell die Erfindung der Fotografie; sie verkündete, dass es Niépce und Daguerre gelungen sei, dauerhafte Bilder mithilfe der Camera obscura aufzuzeichnen. Der Franzose Daguerre wird als Erfinder der Fotografie gefeiert. Die Ergebnisse seiner Arbeit bezeichnet man als Daguerreotypien (Silberplatten-Technik). Die französische Regierung hatte gegen eine Leibrente die Rechte erworben und die Fotografie für alle Welt zur Open Source erklärt. Der damit ausgelöste Technologieschub könnte eigentlich heute Vorbild für die europäischen Regierungen sein, die ja an Wachstumsproblemen ihrer Volkswirtschaften rezeptlos kauen.

Das Verfahren wurde folgendermaßen und kurz beschrieben: "Eine gründlich gereinigte und polierte versilberte Kupferplatte wurde in einem Jodierkasten durch Bedampfen mit Jod lichtempfindlich gemacht. Dabei bildete sich auf der Oberfläche eine dünne Jodsilberschicht. Nach der Belichtung wurde das latente Bild mit Hilfe von Quecksilberdämpfen, die über eine Spirituslampe erhitzt wurden, entwickelt. Dabei setzte sich das Quecksilber an den belichteten Teilen des Jodsilbers fest. Das Bild wurde dann mit Natriumthiosulfat [Herschel] fixiert (vor März 1839 war es noch Kochsalz), mit destilliertem Wasser abgewaschen und über eine Flamme vorsichtig getrocknet, da auf der Oberfläche befindliche Wassertropfen Spuren hinterlassen hätten. Um ein Abreiben des empfindlichen Quecksilberpräzipats zu verhindern, musste man die Daguerreotypie unter Glas bringen; die Ränder wurden sorgfältig verschlossen, um eine Oxidation des Silbers zu vermeiden" (Stenger, 1949; Gernsheim, 1983b).

Der Tag wird meist mit Daguerre als Erfinder gefeiert. Manche feiern auch Niépce und meinen Daguerre habe mit seinem Geld nur dem verarmten Niepce die Erfindung abgeluchst. In Wirklichkeit ist es aber so, dass Niépce nur ökonomisches Interesse hatte und seinen Betrieb damit retten wollte, während sich Daguerre aufgrund seiner Erfahrungen mit seinem Dioram neugierig und intensiv befasste. Er hatte dieses "Durchschaubild" (Dioram) bereits zuvor erfunden. Man versteht darunter eine abgedunkelte Schaubühne mit halbdurchsichtigem, beidseitig unterschiedlich bemaltem Prospekt. Durch wechselnde Beleuchtung von Vorder- und Rückseite können damit zum Beispiel Bewegungen und Tageszeiten effektvoll simuliert werden. Diese mit dem Panorama verwandte Technik wird heute noch auf Theaterbühnen angewendet. Er hatte ein Talent zum Zeichnen und entwickelte es zum Beruf des Dekorationsmalers, wobei er sich besonders auf das Malen von Panoramen auf Bühnen spezialisierte. Sein Interesse war nicht zuerst ein ökonomisches sondern eines der Neugier, der Lust an technischem Fortschritt. Schließlich wäre ja die Erfindung dieser Technologie seinem wirtschaftlichen Interesse entgegengesetzt gewesen, wie die Ängste der Vedoutenmaler vor diesem Innovationsschub ja deutlich beleuchten.

Doch der Tag gehört Dominique François Jean Arago. Auf Aragos Empfehlung hin wurde Daguerres Verfahren von der Regierung aufgekauft und als spektakuläres Geschenk der Grand Nation an die ganze Welt "verteilt". Auf seinen Antrag erhielt Daguerre als Gegenleistung eine lebenslange Rente von 6000 Franc, der Erbe von Nièpce, Isidor Nièpce eine solche von 4000 Franc. Die französische Akademie der Wissenschaften verkündete, dass es Niepce und Daguerre gelungen sei, dauerhafte Bilder mit Hilfe der Camera Obscura aufzuzeichnen. Daguerre wird als Erfinder der Fotografie gefeiert (Daguerreotypie). Im postrevolutionären Frankreich hat der Linkspolitiker einen beispiellosen Akt gesetzt: Der technische Fortschritt wurde zur öffentlichen Sache, zu einem Anliegen der gesamten Menschheit - und nicht individueller Gewinnmaximierung gemacht.

Der französische Physiker, Mathematiker, Astronom und Politiker Dominique François Jean Arago war ein leidenschaftlicher Naturwissenschafter und politischer Vordenker seiner Zeit. Seine Forschungen zum Phänomen der Lichtwellenverbreitung im Raum haben den Grundstein für die heutige moderne Kommunikation gelegt. Seine Entdeckungen: 1811 Entdeckung der chromatischen Polarisation an Glimmerplättchen, 1820 Entdeckung der Magnetisierung von Eisen durch einen stromdurchflossenen Leiter, 1822 Messung der Schallgeschwindigkeit in Luft und 1824 Entdeckung des Rotationsmagnetismus.

Arago wurde am 26.Februar 1786 in Estagel bei Perpignon geboren. Nach seiner Ausbildung an der Ecole Polytechnique in Paris wurde er 1805 Sekretär des Bureau des Longitudes und reiste in dessen Auftrag 1807/08 nach Spanien, um mit Jean Baptiste Biot die Vermessung des Meridianbogens fortzusetzen. Aufgrund einer möglichst exakten Ausmessung des durch Paris verlaufenden Meridians sollte der zehnmillionste Teil des Erdquadranten ermittelt werden. 1806 schickte Kaiser Napoleon Arago und Biot nach Spanien, um die Meridianvermessung über die Pyrenäen hinaus bis auf die Balearen zu ergänzen. Da brach zwischen Frankreich und Spanien Krieg aus, und Arago wurde, der Spionage verdächtigt, festgehalten. Eine drei Jahre währende Irrfahrt, bei der Piraterie, Sturm und Schiffbruch mitspielten, zwang ihn nach Spanien, Sardinien und zweimal nach Algerien. Bei seiner Rückkehr machte Napoleon den 23-jährigen zum Professor an der Ecole polytechnique in Paris, an der er 1805 selber seine Studien beendet hatte. Und die Académie nahm ihn, allen Reglementen zum Trotz, als Mitglied auf.

Hier entdeckte er in den Jahren 1811 und 1812 die Drehung der Polarisationsebene des Lichtes durch Bergkristallplatten und die chromatische Polarisation. Zusammen mit Augstin Fresnel festigte er 1816 bis 1818 durch Interferenzversuche die Auffassung, dass Licht aus Transversalwellen besteht. 1820 wohnte er an der Naturforscherversammlung in Genf den Vorführungen de la Rives über die Entdeckungen Oersteds bei. Im selben Jahr bemerkte er die Magnetisierung von Eisen durch stromdurchflossene Leiter. 1824 führte er den von Michael Faraday später als Induktionswirkung nachgewiesenen Rotationsversuch (auch Arago-Versuch genannt) durch. Bei diesem Versuch wird eine aufgehängte Magnetnadel durch eine unter ihr rotierende Kupferscheibe in Bewegung versetzt. Ab 1830 war er Direktor des Observatoriums in Paris und ständiger Sekretär der Academie des Sciences. Er führte als erster die Szintillation der Sterne auf Interferenzen infolge der Luftunruhe in der Atmosphäre zurück. Nach ihm wird das Gebiet am Tageshimmel, in dem die Himmelslichtpolarisation ein Minimum hat Arago-Punkt genannt. Von 1830 an betätigte er sich intensiv mit Politik. Er stand scharf links und war während der Revolution beim Sturm auf die Barrikaden ganz vorn. Im Parlament zeigte er sich dann aber als gemäßigter Republikaner. Er gehörte der provisorischen Regierung von 1848 als Kriegs- und Marineminister an. Durch populärwissenschaftliche Vorträge, welche jedoch erst nach seinem Tode 1854 bis 1857 publiziert wurden sorgte er für die Verbreitung astronomischer Kenntnisse. Dominique Arago verstarb am 2. Oktober 1853 in Paris.

Dieser Tag war aufregend. Nicht nur in Frankreich. Von dort berichtet uns ein Dokument des 1848er Revolutionärs Ludwig Pfau, den wir wegen seines Badischen Wiegenliedes in Erinnerung haben. Er war - wenige Tage vor seinem achtzehnten Geburtstag Augenzeuge des öffentlichen Aktes der Französischen Akademie: "... Die Oeffentlichkeit der Sitzung hatte ich etwas allzu wörtlich verstanden, denn obwohl die Feierlichkeit erst in zwei Stunden beginnen sollte, waren nicht nur alle Plätze längst von Begünstigten besetzt, sogar Umgebung, Hof und Vorplatz des Instituts waren mit einer dichten Menschenmenge bedeckt. Eine Aufregung herrschte als ob es sich wenigstens um eine gewonnene Schlacht handelte. Ein Sieg - ein größerer als jene blutigen - war allerdings erfochten worden, ein Sieg des wissenden Geistes. Und gerade diese allgemeine Feier einer solchen Eroberung hatte etwas Berauschendes. Die Menge war wie eine elektrische Batterie die einen Funkenstrom aussendet. Jeder hatte eine Freude an der Freude des Anderen. Im Reiche des unendlichen Fortschritts war wieder eine Grenze gefallen, und die Menschheit fühlte sich im Lande ihrer Heimat. ..."

Freiherr Andreas von Ettingshausen. Auch Österreich hatte zu der Akademieveranstaltung einen Delegierten nach Paris gesandt: Freiherr Andreas von Ettingshausen. Von Ettingshausen war bei dieser offiziellen Einführung der Erfindung auf Kosten des österreichischen Staates anwesend und hatte bei Daguerre selbst die ersten fotografischen Versuche angestellt. Der Coblenzer Anzeiger berichtete davon und von der Angst der Maler vor der Konkurrenz durch diese technische Neuerung am 13. September unter "Nachricht aus Wien vom 31. August 1839 über Erfindung Daguerres": "Unser der gelehrten Welt bekannte Physiker Professor von Ettingshausen ... schreibt an seine hiesigen Freunde mit Begeisterung über die Entdeckung Daguerre's, mit welchem er in nahe Berührung getreten ist ... Auch er scheint die vielfach ausgesprochene Ansicht zu theilen, dass diese Entdeckung der Wissenschaft, und namentlich der Optik, mehr als der Kunst zum Nutzen gereichen werde. Unsere Vedutenmaler, deren wir hier (Wien) eine große Zahl besitzen, athmen wieder auf, seit durch die Enthüllungen Arago's bekannt geworden, dass das Verfahren, um ein deutliches Lichtgemälde zu gewinnen, doch nicht so einfach und leicht sey, als man sich vorgestellt hatte ...".

Metternich. An Fürst und Staatskanzler Metternich schrieb er am 16. September 1839 "in unnachahmlicher Treue", "dass er die ersten Bilder Daguerres gesehen habe" und bald nach dem 19. August schaffte er "auf Daguerre's Anrathen den Apparat an und machte unter Daguerre's persönlicher Anleitung die ersten Versuche damit, nahm eine Ansicht des Louvre auf und sandte den Apparat nach Wien; das Objektiv behielt er jedoch bei sich. Er ging nach den Johannisberg wo er eine zweite Aufnahme machte; diese Bilder machten damals in Wien großes Aufsehen. Später nahm er noch mehrere Architekturgegenstände auf. ... " Am 2. Oktober 1839 machte er unter den Augen des Fürsten weitere Versuche, die Zeitungen berichteten: "Eine unter den Augen des Fürsten selbst durch den Künstler (sic!) aufgenommene Ansicht des inneren Schlosshofes gerieth über alle Erwartung. Der Effekt dieses Bildes war höchst täuschend und die Zeichnung überraschend treu bis in die kleinsten Details. Auf der kleinen Platte in der Größe eines gewöhnlichen Octav-Blattes sah man sogar die Spuren der Räder im Kies, und die Huftritte der Pferde. ..."; "die Ansichten des Schlosses Johannisberg wurden auf Metternichs Geheiß am 22. November 1839 in Wien im Physik-Hörsaal der k.k. Universität ausgestellt".

✔ WEB
Arago in Meyers Konversations-Lexikon 1885-1892 - Sehr informativ!

Ludwig Pfau: Erfolge und Fortschritte des Daguerreotyps
Siebenmeilenschritte einer neuen Technologie: Andreas von Ettingshausen
Daguerreotype Galerie

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